Beschwerden nach COVID-Impfung: Das denken Hausärztinnen und Hausärzte über Post-Vac

Hannover. Eine Umfrage in sechs Forschungspraxen-Netzwerken hat die Einstellung von Hausärztinnen und Hausärzte gegenüber Krankheitserscheinungen nach Impfungen gegen COVID-19 eruiert. 43 Prozent derer, die die Fragebögen beantworteten, glauben an Post-Vac als eigenständiges Krankheitsbild.
„36 Prozent hatten schon selbst den Verdacht, dass Post-Vac besteht“, sagte die Forschungskoordinatorin Privatdozentin Dr. Susanne Döpfner, Allgemeinmedizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin, beim DEGAM-Kongress 2025.
Diffuse BeschwerdebilderMit ihrer Studie, die in erster Linie als Machbarkeitsstudie für Großprojekte über mehrere Forschungspraxen-Netzwerke hinweg angelegt war, haben sich Döpfner und ihrer Kolleginnen und Kollegen einem „heißen Thema“ gewidmet. Denn die als Post-Vaccination-Syndrom, in Deutschland gemeinhin als Post-Vac bezeichneten, heterogenen und meist diffusen Beschwerdebilder, die Patientinnen und Patienten auf Impfungen gegen SARS-CoV-2 zurückführen, sind mehr als umstritten.
Auch wenn Beschwerden nach der Impfung in der Long-COVID-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses von 2024 auftauchen, stellt das Paul-Ehrlich-Institut klar:
- Weder handelt es sich um eine „medizinisch definierte Bezeichnung einer Erkrankung“,
- noch gibt es einen „medizinisch plausiblen Hinweis auf einen direkten, ursächlichen Zusammenhang“ zwischen dem Auftreten der Long/Post-COVID-ähnlichen Beschwerden und einer COVID-19-Impfung.
„Die Hausärzte müssen auch hier wieder mal auf dem Boden sehr großer Unsicherheit handeln“, sagte Döpfner. Zumal die Abgrenzung kaum möglich ist. „Die Patienten haben nie, haben einmal, zweimal, dreimal COVID, haben keine, haben eine, zwei, drei, vier, fünf Impfungen vor oder nach einer Erkrankung – und wer soll das auseinanderhalten, was da von was kommt?“
An der Studie im Mai/Juni 2024 nahmen 156 Praxen teil. Die Ärztinnen und Ärzte waren durchschnittlich 51 Jahre alt, zu 47 Prozent weiblich und hatten zwölf Jahre hausärztliche Erfahrung. Nur 88 machten Angaben zur Patientenversorgung, und 85 beantworteten Fragen zu Post-Vac.
91 Prozent der Befragten gaben an, durchschnittlich zehn Patientinnen und Patienten zu haben, die selbst den Verdacht auf Post-Vac äußerten. Während letztere dies vornehmlich bei Fatigue/Müdigkeit vermuteten, taten die Ärztinnen und Ärzte dies am häufigsten bei Brust- oder kardialen Beschwerden.
Jüngere Ärztinnen und Ärzte skeptischer35 Prozent waren unsicher, ob Post-Vac eine eigene Krankheitsentität darstelle, und die meisten der 22 Prozent derer, die das klar verneinten, deuteten die Beschwerden als psychiatrisch/psychosomatisch oder funktionell. Erschöpfung/Fatigue wurde auch häufig genannt, seltener verorteten sie die Symptome als allgemeine Impfreaktionen oder Post-COVID.
Der einzige Unterschied zwischen den Ärztinnen und Ärzten war beim Alter auszumachen. So waren die, die an Post-Vac zweifelten, mit durchschnittlich 45 Jahren am jüngsten. Die, die seine Existenz bejahten, waren im Schnitt 54,4 Jahre alt und die Unsicheren 53,5.
Wegen des geringen Rücklaufs riet Döpfner, die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten. „Es ist ja eine kleine Stichprobe. Aber wenn man davon mal ausgeht – und es gibt ja nicht viele Untersuchungen dazu – muss man wahrscheinlich schon sagen, dass Post-Vac mehr oder weniger in jeder Praxis ein Beratungsanlass ist – egal, was man jetzt davon hält, ob es das gibt oder nicht gibt.“
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