ANO Digital Economy hat einen Bericht über Trends beim Einsatz von KI in der Medizin veröffentlicht.

Bei der Erstellung des Berichts hat ANO Digital Economy die Trends nach Zeitkategorien klassifiziert: kurzfristige Trends (derzeit 2 Jahre; derzeit in der Umsetzung, deckt aber noch nicht alle Unternehmen und Branchen ab), mittelfristige Trends (3-5 Jahre; derzeit in der Pilotprojekt- und teilweisen Umsetzungsphase ohne großflächige Verbreitung), langfristige Trends (5 Jahre oder mehr; Konzepte und Technologien, die nur in begrenzten Projekten diskutiert oder umgesetzt werden, da ihre Umsetzung schwierig ist).
Intelligente Assistenten wie der russische DIMA (MD AI) und der amerikanische Microsoft DAX Copilot werden heute und in den nächsten zwei Jahren eingesetzt, um medizinisches Fachpersonal bei der Diagnosestellung und der Auswahl von Behandlungsmethoden zu unterstützen. Dem Bericht zufolge soll damit das Problem der Überlastung der Ärzte durch „routinemäßige Verwaltungsarbeit und Dokumentation“ sowie der mangelnden Effizienz und Genauigkeit bei der Erhebung der Krankengeschichte und der Erstdiagnostik aufgrund menschlicher Fehler angegangen werden.
Darüber hinaus geht die ANO davon aus, dass Geräte zur Überwachung von Gesundheitsindikatoren und zur Durchführung diagnostischer Tests bald eine größere Verbreitung finden werden. Dazu gehören Smartgeräte, Fitnesstracker, Selbsttestgeräte und Ferndiagnosegeräte. Diese Geräte werden die Überwachung des Zustands von Patienten einfacher und zugänglicher machen, insbesondere für Menschen mit chronischen Erkrankungen und solche, denen es schwerfällt, regelmäßig eine Gesundheitseinrichtung aufzusuchen.
Der Bericht nennt Beispiele für Überwachungsgeräte: Neyrox eines russischen Herstellers überwacht Parameter wie Herzfrequenz, EKG, Atmung, Temperatur, Blutzuckerspiegel und Sauerstoffsättigung sowie Reaktionen des Nervensystems. Mithilfe künstlicher Intelligenz analysiert Neyrox diese Daten und prognostiziert epileptische Anfälle 40 bis 50 Sekunden vor ihrem Beginn, woraufhin der Benutzer gewarnt wird. Auch das EmbracePlus-Gerät von Empatica zur Überwachung physiologischer Parameter und zur Früherkennung von Krankheiten, einschließlich COVID-19, wird erwähnt.
Elektronische Patientenakten (EMR/EHR) lösen das Problem fehlender einheitlicher Datenbanken, das die Kommunikation zwischen medizinischen Einrichtungen behindert. Sie eliminieren zudem menschliche Fehler und sparen Patienten und Ärzten Zeit. Als Beispiele nennt ANO die russische „Elektronische Patientenakte“ mit KI zur Datenanalyse und Entscheidungsunterstützung sowie eine Entwicklung des amerikanischen Unternehmens Epic Systems.
In den nächsten drei bis fünf Jahren wird generative KI (zur Generierung neuer Daten) eingeführt; ihr Einsatz in der Medizin „verändert die Ansätze für Diagnose, Behandlung und Arzneimittelentwicklung“. Analysten sind überzeugt, dass der Einsatz dieser Art künstlicher Intelligenz die mangelnde Unterstützung von Ärzten bei der Diagnose und der Wahl optimaler Behandlungen sowie die Einschränkungen traditioneller Methoden zur Analyse großer Datenmengen beheben wird. Zu den Technologien, die generative KI nutzen, gehören die russische Syntelly-Plattform, die die toxikologischen und physikochemischen Eigenschaften von Verbindungen analysiert, und die Arzneimittelentwicklungstechnologie von Insilico Medicine.
Die Autoren des Berichts hoben zudem den Trend zur Entwicklung maßgeschneiderter Krankenversicherungsprogramme mithilfe künstlicher Intelligenz hervor. Mithilfe personalisierter Versicherungsprodukte, die die individuellen medizinischen Daten und das Verhalten jedes Kunden analysieren, können Versicherungsunternehmen flexible Tarife und Programme anbieten. Diese Programme werden auf die Bedürfnisse und Risiken menschlicher Faktoren zugeschnitten. Dies verbessert die Servicequalität und die Effektivität der Versicherung. Als Beispiele nennt die Organisation die Versicherungsplattform SberHealth und Lightbeam Health, die über 4.500 Faktoren, darunter klinische, soziale und Umweltfaktoren, analysiert, um versteckte Risiken zu identifizieren.
Zu den langfristigen Trends zählen autonome KI-Agenten – Programme, die selbstständig medizinische Patientendaten analysieren. Sie sind zudem in der Lage, Diagnosen zu stellen, Behandlungen zu empfehlen und bestimmte Verfahren ohne direktes Eingreifen eines Arztes durchzuführen. Autonome KI-Agenten arbeiten mit großen Datenmengen und Algorithmen des maschinellen Lernens. Dies wird dazu beitragen, Routineprozesse und Entscheidungsprozesse zu automatisieren und so schneller auf Veränderungen des Patientenzustands zu reagieren. Ein Beispiel für diese Technologie ist Grace von Hippocratic AI.
Auch die personalisierte Medizin auf Basis von KI und Genomik ist ein langfristiger Trend. Sie kombiniert genetische Daten einer Person mit klinischen Indikatoren. Analysten behaupten, dass die Entwicklung personalisierter Behandlungsschemata auf der Grundlage individueller Merkmale die Wirksamkeit der Therapie verbessern und das Risiko von Nebenwirkungen verringern wird. Ein Beispiel hierfür ist das kanadische Startup Deep Genomics, das KI nutzt, um die Auswirkungen genetischer Mutationen vorherzusagen und zielgerichtete Medikamente zu entwickeln.
Darüber hinaus sind KI-gesteuerte Implantate und Neuroprothesen, die in der Lage sind, kontinuierlich physiologische Parameter zu erfassen und zu analysieren, ihre Funktionsweise automatisch anzupassen und die Entstehung von Komplikationen zu verhindern, zu langfristigen Trends geworden.
Dem Bericht zufolge sind KI-Technologien zur epidemiologischen Überwachung und Frühwarnung vor Ausbrüchen von Infektionskrankheiten zu einem Trend geworden, der in fünf Jahren oder später umgesetzt werden könnte. Als Beispiel wird das kanadische Unternehmen BlueDot genannt, das im Dezember 2019 als erstes weltweit vor COVID-19 warnte, indem es Millionen von Datenquellen mittels KI analysierte.
Analysten gehen davon aus, dass digitale Patientenzwillinge erst langfristig breite Anwendung finden werden. Dafür werden virtuelle Modelle entwickelt, die Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten und die verordneten Behandlungen enthalten. An dieser Technologie arbeiten unter anderem die Setschenow-Universität und das Startup Q Bio Gemini.
Zu den langfristigen Trends gehört auch der Einsatz von Virtual- und Augmented-Reality-Technologien (VR/AR) in verschiedenen Bereichen, „von der Ausbildung medizinischen Personals und der Operationsvorbereitung bis hin zur Rehabilitation und Behandlung verschiedener Krankheiten“. Zu den Entwicklern gehören die Staatliche Medizinische Universität Samara mit ihrem modularen virtuellen Expertensystem „MEVIS“ und das Operationssimulationssystem von FundamentalVR.
Auch Operationsroboter sind ein langfristiger Trend. Sie könnten das Fehlerrisiko und die eingeschränkte Präzision bei traditionellen chirurgischen Eingriffen verringern. In Russland beispielsweise wurde von der Firma „Neurosputnik“ der Operationsroboter „Levsha“ entwickelt, der es dem Chirurgen ermöglicht, die Manipulationen zu „fühlen“, genau wie bei einer traditionellen Operation.
vademec