Praxis erhält Mutterschutzlohn für gesamte Stillzeit erstattet

Darmstadt. Bei einem erforderlichen Beschäftigungsverbot für eine in einer Praxis angestellte stillende Mutter kann auch nach über einem Jahr Stillzeit noch Anspruch auf Mutterschutzlohn bestehen. Dies gilt bei einer angestellten Zahnärztin zumindest dann, wenn eine Infektion mit Biostoffen nicht ausgeschlossen werden kann und das Kind durch das Stillen „unverantwortbar gefährdet“ würde, urteilte das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt. Dem Arbeitgeber, der während des Beschäftigungsverbots Mutterschutzlohn gezahlt hat, steht dann für die gesamte Stillzeit eine Kostenerstattung von der Krankenkasse zu.
Im konkreten Fall ging es um eine angestellte Zahnärztin aus dem Raum Frankfurt/Main, die 2018 schwanger wurde. Während der Schwangerschaft und Stillzeit sprach der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot aus.
Er zahlte der Frau den gesetzlichen Mutterschutzlohn. Die Krankenkasse wollte diesen dem Praxisbetreiber jedoch nur bis zum ersten Geburtstag des Kindes erstatten, nicht aber für die Stillzeit danach. Die Kasse verwies darauf, dass Arbeitgeber auch nur im ersten Jahr betriebliche Stillpausen gewähren müssen. Daraus sei abzuleiten, dass bei einem Beschäftigungsverbot ebenfalls diese Jahresfrist gelte und für darüber hinausgehende Zeiten kein Mutterschutzlohn zu erstatten sei.
Schutzmaßnahmen nicht möglichZudem habe der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot unzureichend begründet. So fehle eine ausreichende Dokumentation über die Gefährdungsbeurteilung, falls die Mutter während ihrer Stillzeit weiterarbeiten würde.
Der Arbeitgeber klagte auf Erstattung der Kosten für die gesamte Stillzeit. Schutzmaßnahmen oder eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes seien nicht möglich gewesen, um Mutter und Kind vor Gesundheitsgefährdungen zu bewahren.
Das LSG urteilte, dass der Arbeitgeber nicht nur für das erste Jahr der Stillzeit, sondern auch danach für die Zeit vom 1. März 2020 bis zum 30. November 2020 Anspruch auf Erstattung der Mutterschutzlohnkosten in Höhe von monatlich 20.695 Euro hat. Bei einem Beschäftigungsverbot sei der Anspruch auf Erstattung des Mutterschutzlohns nicht nach einem Jahr verfallen. Die von der Krankenkasse angeführte Einjahresfrist gilt nur für vom Arbeitgeber einzuräumende Stillzeiten und nicht, wenn ein Beschäftigungsverbot vorliegt.
Der Arbeitgeber muss für die Stillzeit zwar eine eigene Gefährdungsbeurteilung vornehmen und diese dokumentieren. Kommt er dem nicht nach, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Ein Beschäftigungsverbot dürfe davon aber nicht abhängig gemacht werden, so das LSG. Dieses gilt „kraft Gesetzes“, da er die Zahnärztin während ihrer Stillzeit nicht anderweitig beschäftigen konnte.
Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über eine Infektionsgefahr in Zahnarztpraxen während der gesamten Stillzeit gebe es auch nicht. (fl)
Arzte zeitung