Mit Diabetes in der Ukraine: »Die Situation ist noch immer sehr schwierig«


In freiwilligen medizinischen Hilfszentren werden Menschen in der Ukraine mit kostenlosen Medikamenten oder Hilfsmitteln versorgt. / © Action Medeor/Your City
PZ: Wie stellte sich für Menschen mit Diabetes die Lage zu Beginn des Krieges dar?
Haitovska: Zu Beginn der groß angelegten Invasion im Februar 2022 war es für Menschen mit chronischen Erkrankungen, insbesondere Diabetes, äußerst schwierig. Massenflucht, zerstörte Infrastruktur, unterbrochene Medikamentenlieferungen und fehlende medizinische Versorgung stellten für Diabetiker eine ernsthafte Gefahr dar.
Viele Menschen mussten ihre Häuser in Eile verlassen, ohne genügend Insulin, Spritzen, Teststreifen und andere wichtige Dinge. Apotheken waren oft geschlossen oder hatten keine notwendigen Medikamente vorrätig. Ständige Gefahr, Stress, Ernährungsumstellungen und Schlafmangel verschlechterten den Gesundheitszustand der Menschen. In aktiven Konfliktgebieten und besetzten Gebieten gab es keinen Zugang zu qualifizierter medizinischer Versorgung oder Medikamenten. Ich habe dies während der Besetzung von Cherson mit eigenen Augen gesehen.
PZ: Wie sieht es aktuell aus?
Haitovska: Die Situation für Menschen mit Diabetes in der Ukraine ist noch immer sehr schwierig. Es gibt zwar das staatliche Programm »Bezahlbare Medikamente«, aber das ist bei Weitem nicht perfekt. Diabetiker können Insulin kostenlos oder gegen eine Teilzahlung erhalten. Es herrscht jedoch ein kritischer Mangel an Verbrauchsmaterialien oder zum Beispiel Insulinpumpen. Blutzuckermessgeräte und Teststreifen sind deutlich teurer geworden. Der Staat übernimmt einen Teil dieser Kosten für Menschen mit Typ-1-Diabetes, aber Typ-2-Diabetetiker müssen sie selbst tragen. Aufgrund des Krieges und der wachsenden Armut können sich einige Menschen in der Ukraine keine Medikamente leisten, geschweige denn ein Blutzuckermessgerät. Die mangelnde Blutzuckerkontrolle kann zu einer ernsthaften Verschlechterung des Gesundheitszustands oder sogar zum Tod führen. Infolgedessen wenden sich die Menschen oft an humanitäre Organisationen, um Hilfe zu erhalten. Dank unserer deutschen Partner von Action Medeor stellt der Your City International Charity Fund Diabetespatienten kostenlose Teststreifen und Nadeln für Insulinpens zur Verfügung. Über das Programm »Your City – Action« kaufen wir auch Blutzuckermessgeräte für die Menschen ein.

Yuliia Haitovska misst den Blutzucker einer Patientin. Blutzuckermessgeräte und Teststreifen sind in der Ukraine deutlich teurer geworden. / © Action Medeor/Your City
PZ: Gibt es Regionen im Land, in denen die Versorgung besonders schlecht ist?
Haitovska: Ja, auf jeden Fall. Besonders schwierig ist die Lage in Regionen in der Nähe von aktiven Konfliktgebieten, wie den Regionen Cherson, Charkiw, Donezk, Luhansk und Saporischschja. Viele Gebiete leiden unter einer durch die anhaltenden Feindseligkeiten beschädigten Infrastruktur, was die Lieferung von medizinischen Gütern, darunter auch Insulin, erheblich erschwert. In einigen Siedlungen ist die Lieferung humanitärer medizinischer Hilfe aus Sicherheitsgründen unmöglich.
PZ: Wird die Kühlkette für Insulin aufrechterhalten?
Haitovska: Dies ist eine große Herausforderung, insbesondere angesichts der instabilen Stromversorgung, die wiederum auf die anhaltenden Feindbeschüsse zurückzuführen ist. In den ersten Monaten des Krieges wurde »humanitäres« Insulin oft abgelehnt, da keine geeigneten Lagerbedingungen gewährleistet werden konnten. Dank alternativer Stromquellen hat sich die Situation inzwischen verbessert.

Mehr als drei Jahre nach Beginn des Krieges sind Menschen mit Diabetes in der Ukraine weiter in einer äußerst schwierigen Lage. / © Action Medeor/Your City
PZ: Wie wichtig sind Hilfsorganisationen und wo können Betroffene Hilfe finden?
Haitovska: Hier in Odessa können sich Diabetiker zum Beispiel an unsere freiwilligen medizinischen Hilfszentren wenden. Dort bekommen sie Hilfe, etwa in Form von kostenlosen Medikamenten oder Hilfsmitteln. Dies ist nicht nur für die Gesundheit der Menschen entscheidend, sondern auch für den Erhalt des Familienbudgets. Es ermöglicht ihnen, Grundbedürfnisse wie Miete, Lebensmittel und Kleidung zu bezahlen.

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