dm will Blutuntersuchungen in Filialen anbieten: Ärzte sind alarmiert

Hannover. Shampoo, Dinkelnudeln, ein großes Blutbild – so könnte künftig ein Einkaufszettel bei dm aussehen. Die Drogeriekette stößt aggressiv in den Gesundheitsmarkt vor und plant neben einer Onlineapotheke auch Gesundheitsuntersuchungen direkt in ihren Filialen. Ärzte- und Apothekerverbände reagieren empört auf die neue Strategie des Karlsruher Konzerns.
Aktuell befindet sich dm in einer Pilotphase und bietet an einigen Standorten Blut-, Haut- und Augenuntersuchungen an. Auch in Niedersachsen testet das Unternehmen das neue Angebot bereits in einer Filiale: In Braunschweig an der Berliner Straße können Kundinnen und Kunden eine KI-gestützte Hautuntersuchung durchführen lassen, wie das Unternehmen mitteilt.
Die Untersuchungen führt dm nicht selbst durch, sondern über Partnerunternehmen. Das Düsseldorfer Start-up Dermanostic übernimmt die Hautuntersuchungen (ab 28 Euro), die ebenfalls aus Düsseldorf stammende Firma Skleo Health bietet Augenchecks an (14,95 Euro für Sehtest und Netzhautfotografie), und das Berliner Healthtech-Unternehmen Aware Health steht für Blutanalysen bereit.
Dr. Martina Wenker,
Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen
Beispiel Blutabnahme: Kundinnen und Kunden können ihre Termine online buchen, in den Filialen kümmern sich dann medizinisch geschulte Fachkräfte. Laut Aware Health handelt es sich beim Personal „in der Regel um Heilpraktiker*innen mit Zulassung zur Ausübung der Heilkunde und entsprechender Erfahrung in der venösen Blutentnahme“.
Die Proben werden anschließend an Partnerlabore geschickt. Die Ergebnisse erhalten die Kundinnen und Kunden digital über eine App – inklusive Erläuterungen zu auffälligen Werten. Ein großes Blutbild kostet aktuell 9,95 Euro. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren auch die Haut- und Augenuntersuchungen: Sie werden von externen Partnern durchgeführt und digital ausgewertet, teils mit ärztlicher Kontrolle.

Während dm seine neue Strategie mit der alternden Gesellschaft und einem wachsenden Markt für Gesundheitsprodukte begründet, kommt von Ärzteverbänden deutliche Kritik. „Wir haben im Hinblick auf die Patientensicherheit große Bedenken, Blut-, Haut- und Augenuntersuchungen in der Drogerie durchzuführen“, sagt etwa die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Martina Wenker.
Das zentrale Problem: Die Diagnosen in den Filialen könnten fehlerhaft sein. Gesunde Menschen könnten für krank, Kranke für gesund erklärt werden. „Beide Konstellationen können im Einzelfall massive Komplikationen nach sich ziehen“, warnt Wenker.
Das Unternehmen dm hingegen sieht das neue Angebot auch als Entlastung für Arztpraxen. Die Märkte könnten, so das Argument, einfache Routineaufgaben übernehmen und damit Kapazitäten in den Praxen schaffen. So äußerte sich kürzlich auch dm-Chef Christoph Werner in der „FAZ“.
Dr. Mathias Grau,
stellvertretender Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen
Die Ärztekammer Niedersachsen erwartet jedoch das Gegenteil. „Wem in der Drogerie ein Problem mit den Augen, der Haut oder den Blutwerten bestätigt wird, der wird anschließend Kontakt zu einer Arztpraxis aufnehmen“, sagt Wenker. Für das Gesundheitssystem entstünden dadurch keine Entlastungen, weil die Befunde in den Praxen erneut überprüft werden müssten – in einem professionellen, verlässlichen Rahmen.
Alle beteiligten Partnerunternehmen arbeiteten nach hohen medizinischen Qualitätsstandards, hält dm dagegen. Die Blutabnahmen und Analysen erfolgten durch geschultes Fachpersonal und in zertifizierten Laboren nach den Richtlinien der Bundesärztekammer.

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Auch bei den Augen- und Hauttests betont dm, dass die Verfahren ärztlich überprüft oder klar als „nicht diagnostisch“ gekennzeichnet seien. Kundinnen und Kunden würden transparent darüber informiert, dass es sich um Screenings oder Analysen, nicht aber um ärztliche Untersuchungen handelt. Auffällige Ergebnisse würden ärztlich nachbewertet oder an Fachärztinnen und Fachärzte weitergeleitet.
Nicht nur die Ärzteschaft reagiert kritisch. Auch viele Apotheken blicken mit Sorge auf das, was dm derzeit plant. Die neue Onlineapotheke, über die bis Ende des Jahres rund 2500 nicht verschreibungspflichtige Medikamente angeboten werden sollen, gilt in der Branche als wirtschaftliche Bedrohung.
„Wenn dm jetzt auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente anbietet, verlieren wir Apotheken vermutlich Umsatz und Gewinn“, befürchtet Dr. Mathias Grau, stellvertretender Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen. „Das kann ein Apothekensterben beschleunigen.“ Besonders um die jüngere Kundschaft sorgt man sich in den Apotheken. Ältere Menschen, so Grau, schätzten die persönliche Beratung vor Ort.
Und die Konkurrenz? Rossmann teilt mit, man äußere sich zu wettbewerbsrelevanten Fragen „grundsätzlich nicht“. Damit dürfte dm vorerst die einzige Drogeriekette in Deutschland bleiben, die so offensiv auf den Gesundheitsmarkt drängt.
rnd